angesichts geopolitischer Spannungen und wachsender internationaler Verwerfungen – darunter die erneut ablehnende Haltung der US-Regierung gegenüber internationalen Klimaabkommen – steht die 30. Weltklimakonferenz (Conference of the Parties, kurz COP30) unter besonderem Druck. Die Konferenz muss beweisen, dass ambitionierter Klimaschutz auch ohne die USA möglich bleibt, wie Forschende des Wuppertal Instituts betonen.
Ohne weitere und vor allem konsequente Klimaschutz-Maßnahmen steuert die Welt auf eine Erderwärmung von 2,8 Grad Celsius zu und dürfte das 1,5-Grad-Ziel schon bald auch im mehrjährigen Mittel überschritten haben, wie die Vereinten Nationen in ihrem Emissions Gap Report 2025 eindringlich warnen. Damit die Klimaschutzziele nicht noch in weitere Ferne rücken, spielen insbesondere die national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) der Vertragsparteien eine zentrale Rolle. Alle Staaten sollten dafür schon in der ersten Jahreshälfte neue NDCs für den Zeitraum bis 2035 vorlegen, die ambitionierter sind als die bisherigen Verpflichtungserklärungen. Jedoch haben viele Länder – darunter auch die EU – die Abgabefrist zur Festlegung ihrer Klimaziele verstreichen lassen, wie das UNFCCC-Sekretariat in seinem aktuellen Synthesebericht 2025 zu den NDCs verdeutlichte.
Diese Woche trafen sich die EU-Umweltminister*innen in Brüssel, um sich wenigstens wenige Tage vor der COP30 im brasilianischen Belém noch auf ein Klimaziel für 2040 zu einigen und aus diesem ihr NDC für das Jahr 2035 abzuleiten. Allerdings machten es die Beteiligten spannend und bis zuletzt war offen, ob die EU mit leeren Händen nach Belém anreist. Am Mittwoch einigte sich die Minister*innen-Runde darauf, den Ausstoß bis 2040 um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 senken zu wollen – für das Jahr 2035 wurde ein Zielkorridor von 66,25 bis 72,5 Prozent Minderung festgelegt. Die EU-Staaten haben sich nach langen Verhandlungen zudem darauf geeinigt, dass bis zu 5 Prozent der Minderungsvorgabe durch den Zukauf internationaler Klimaschutzzertifikate abgedeckt werden kann. Darüber hinaus soll der Emissionshandel für Verkehr und Gebäude nicht im Jahr 2027, sondern erst ein Jahr später eingeführt werden.
Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, warnte bereits zum Start der Verhandlungen in Brüssel im WDR 5 Mittagsecho: "Das Ringen um eine solch entscheidende Einigung so kurz vor der COP setzt die Glaubwürdigkeit der EU aufs Spiel. Nur mit einem ambitionierten und klaren Ziel, dass keine Schlupflöcher zulässt, kann die EU ihren Anspruch verwirklichen und in den Verhandlungen auf der Weltklimakonferenz eine politische Führungsrolle einzunehmen." Mit den jetzt getroffenen Entscheidungen der EU wird nach Einschätzung von Manfred Fischedick diese Zielsetzung nicht erreicht und das Image der EU als Klimaschutz-Vorreiterin gerät erheblich ins Wanken. Ein Signal des Aufbruchs und der Verantwortungsübernahme in unsicheren politischen Zeiten wird nicht ausgesendet.
Insgesamt kommt es für die Staatengemeinschaft darauf an, ohne die Unterstützung der USA bzw. gegen deren offenen Widerstand, entschlossener denn je am Pariser Abkommen festzuhalten und die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen zu beschleunigen. Wegen des Umstands, dass Belém zu den heißesten und ärmsten Städten des Landes zählt, bietet die Konferenz in Belém aber auch eine große Chance, die Klima- und Biodiversitätskrise zusammen zu denken, damit sich durch integrierte Lösungen dauerhaft Wirkung entfalten kann.
Auch der gerechte Strukturwandel spielt entscheidende Rolle
Zudem könnte das Thema des gerechten Strukturwandels – dem sogenannten Just Transition – stärker in den Fokus der diesjährigen COP-Verhandlungen rücken. Nach Fortschritten bei den Zwischenverhandlungen in Bonn wächst die Hoffnung auf die Entwicklung eines holistischen Mechanismus, der Gerechtigkeitsaspekte als Grundlage ambitionierten Klimaschutzes verankert. Bislang spielte der Just Transition nur eine untergeordnete Rolle. Zwar wurde es bereits 2015 in der Präambel des Pariser Abkommens als zentrale Leitlinie festgehalten, doch erst auf der COP27 im November 2022 erfolgte mit der Einrichtung des Just Transition Work Programme (JTWP) ein entscheidender Durchbruch. Gerade deshalb brauche es jetzt Ideen, wie Klimaschutz und sozial gerechter Wandel klug zusammenspielen können, resümiert Timon Wehnert, Co-Leiter des Forschungsbereichs Energiewende International am Wuppertal Institut, der beim politischen Dialog der EU Initiative for coal regions in transition im Sommer dieses Jahres teilnahm. Als einer der größten Treiber des Klimawandels ist der Kohlesektor unter Transformationsdruck – nicht zuletzt durch die stark gestiegene Rentabilität der Erneuerbaren. Der Sektor ist zudem einer der ersten, in dem sich Fortschritte bereits sehen lassen. In der EU sind einige Länder schon vor Jahren vollständig aus der Energiegewinnung aus Kohle ausgestiegen. Dabei hat sich gezeigt, dass nur durch die Einbindung der Arbeiter*innen und den Menschen vor Ort eine nachhaltige Transformation der Regionen gelingen kann. Die Erfahrungen aus diesen Prozessen hat die CRiT-Initiative in praktischen Handbüchern und Fallstudien verarbeitet, um die Kohle-Regionen bei der Umstellung weg von fossilen Brennstoffen weiter zu unterstützen.
Wuppertal Institut vor Ort und Podcast zu den Erwartungen an die COP
Am kommenden Montag startet die Weltklimakonferenz, bei der auch die Forschenden des Wuppertal Instituts vor Ort die Verhandlungen verfolgen und mehrere Sideevents veranstalten. Kurz nach Abschluss der Konferenz veröffentlichen sie zudem eine erste Auswertung der Ergebnisse und stellen sie am 4. Dezember beim digitalen Wuppertal Lunch, der in Kooperation mit Table.Briefings veranstaltet wird, vor und diskutieren mit Expert*innen darüber.
Bis es jedoch in Belém endlich losgeht, möchten wir Ihnen unsere aktuelle Podcast-Folge zur COP30 ans Herz legen: Sarah Zitterbarth, Expertin für internationale und europäische Klimapolitik in der Politischen Vertretung von Greenpeace in Berlin, und Max Schulze-Steinen, Researcher im Forschungsbereich Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut, sprechen über ihre Erwartungen an die COP. Sie diskutieren, über welche Knackpunkte verhandelt und gestritten wird, schätzen die Ausgangslage aus ihren Perspektiven ein und machen einmal mehr deutlich, um was es letztlich geht: den Schutz unserer Lebensgrundlage. |