die enttĂ€uschenden Ergebnisse der COP29, die erneute Wahl von Donald Trump zum PrĂ€sidenten der USA, klimabedingte Naturkatastrophen weltweit, die eskalierende geopolitische Lage: Zum Jahreswechsel hinterlassen die EindrĂŒcke der letzten Wochen und Monate ein dĂŒsteres Bild â der dringend benötigte RĂŒckenwind fĂŒr die Eingrenzung des Klimawandels fehlt.
Auch wenn wir uns natĂŒrlich sehr darĂŒber freuen: Dass das Wuppertal Institut dieses Jahr den deutschen Nachhaltigkeitspreis gewonnen hat, tröstet uns da recht wenig â allerdings sehr wohl, dass sich hinter all den schlechten Nachrichten dieses Jahres ein ganzer Berg positiver Entwicklungen verbirgt, der Mut macht fĂŒr die Zukunft.
So setzen etwa die Erneuerbaren ihren Siegeszug fort: Allein im ersten Halbjahr 2024 sind in Deutschland neue Solaranlagen mit rund 7,6 Gigawatt Leistung in Betrieb gegangen. Zum Vergleich: Das ist deutlich mehr als die Nennleistung der drei letzten Atomkraftwerke, die 2023 vom Netz gegangen sind. Und auch rein marktwirtschaftlich sind die Erneuerbaren nicht mehr aufzuhalten: In vielen Regionen der Welt sind sie inzwischen die mit Abstand wettbewerbsfĂ€higste Form der Stromerzeugung. Hinzu kommt bei uns in Deutschland ein regelrechter Boom bei Batteriespeichern, der Rollout von Smart Metern, den unsere Forschenden auf seine Potenziale hin abgeklopft haben, ab Januar dann noch dynamische Stromtarife â und das wird Wirkung haben, denn erst als Gesamtpaket können diese Einzelbausteine ihr wahres Energiewende-Potenzial entfalten. Mittelfristig wird auch Wasserstoff eine deutlich gröĂere Rolle einnehmen, denn mit der Genehmigung des WasÂserÂstoff-KernÂnetzes Ende Oktober diesen Jahres werden jetzt die GrundzĂŒge einer bundesweiten Wasserstoffwirtschaft erkennbar. Auch fĂŒr Anlagen zur Erzeugung und Speicherung von Wasserstoff haben viele Unternehmen bereits PlĂ€ne in der Schublade. Selbst wenn aufgrund der vielen Unsicherheiten in der Entwicklung der energie- und klimapolitischen Rahmenbedingungen oft noch konkrete Investitionsentscheidungen fehlen: Der nĂ€chste Energiewende-Booster ist damit schon zum Greifen nah.
Politisch gilt deshalb: Jetzt ist Richtungssicherheit nötig, damit die Wirtschaft weiĂ, wo sie zukunftssicher investieren kann. Auf EU-Ebene ist das aktuell schon gegeben: Der Clean Industrial Deal, den Ursula von der Leyen am Tag ihrer Wahl zur PrĂ€sidentin der EU-Kommission in ihren politischen Leitlinien fĂŒr 2024 bis 2029 angekĂŒndigt hat, verbindet Kernelemente des bisherigen European Green Deal mit Instrumenten zur Steigerung der europĂ€ischen WettbewerbsfĂ€higkeit und Versorgungssicherheit â und sendet damit ein wichtiges Signal der KontinuitĂ€t.
Ein solches Signal der KontinuitĂ€t, des Festhaltens an den zentralen energie- und klimapolitischen Zielen, braucht es nun auch von der nĂ€chsten Bundesregierung. Denn das nĂ€chste groĂe deutsche Klimaziel ist nur eineinhalb Legislaturperioden entfernt: Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen um 65 Prozent gegenĂŒber 1990 sinken â dafĂŒr braucht es in den nĂ€chsten Jahren eine rund doppelt so hohe absolute Emissionsminderung wie in den vergangenen gut 30 Jahren. Das ist ambitioniert, aber mit dem entsprechenden Gestaltungswillen machbar. Die gröĂte Herausforderung ist sicher, genĂŒgend Kapital fĂŒr die Umsetzung der Transformation zu mobilisieren: AbschĂ€tzungen zeigen, dass der jĂ€hrliche Finanzierungsbedarf fĂŒr die Energiewende rund zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Allerdings ist der ganz ĂŒberwiegende Teil auf Investitionserfordernisse zurĂŒckzufĂŒhren, die aufgrund der normalen Erneuerungszyklen sowieso anstehen. Die notwendigen Zusatzinvestitionen fĂŒr grĂŒne Technologien liegen bei circa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts, 50 bis 60 Milliarden Euro jĂ€hrlich. Etwa ein Viertel davon muss von der öffentlichen Hand bereitgestellt werden, in Form von direkten Investitionen in Infrastrukturen oder ZuschĂŒssen fĂŒr Kommunen und Unternehmen. In Zeiten angespannter Bundesfinanzen ist das harter Tobak, aber auch hier steckt eine gute Nachricht drin: Das Geld lĂ€sst sich auftreiben, etwa durch den Abbau umweltschĂ€dlicher Subventionen, die EinfĂŒhrung einer Vermögenssteuer oder sogar durch eine Art globaler Mindeststeuer fĂŒr Superreiche, wie sie jĂŒngst auf der G20 vorgeschlagen wurde. Und: Einige MaĂnahmen verursachen gar keine Kosten. Ein Tempolimit â das ĂŒbrigens rund 70 Prozent Zustimmung in der Bevölkerung findet â ist Klimaschutz zum Nulltarif. Zudem gilt: Zusatzinvestitionen sind nicht gleichzusetzen mit Zusatzkosten. Die damit verbundenen Einsparungen und die dadurch induzierten positiven volkswirtschaftlichen Effekte, wie beispielsweise Innovationsimpulse, sind gegenzurechnen.
Was uns am Wuppertal Institut ebenfalls Mut macht im Hinblick auf die politische Kultur in Deutschland: Statt sich gegenseitig zu blockieren, haben die Parteien selbst nach dem Ampel-Aus noch einige wichtige Vorhaben auf den Weg gebracht. Dass dazu auch die Kabinettsentscheidung zur Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie gehört, bei deren Erstellung wir mit unserer wissenschaftlichen Expertise intensiv mitgewirkt haben, freut uns besonders. Zwar ist Strategie noch nicht gleich Umsetzung, aber damit hat die nĂ€chste Bundesregierung eine gute Arbeitsgrundlage, um Ressourcenschonung und Versorgungssicherheit zu verbessern â und gleichzeitig den Konjunktur- und BeschĂ€ftigungsmotor hochzudrehen: Wenn uns der groĂe Sprung von der aktuellen linearen Wirtschaftsweise zur Circular Economy gelingt, eröffnet das nicht nur neue GeschĂ€ftsmodelle- und felder. Es bietet auch dem aktuellen deutschen Sorgenkind namens Industrie Möglichkeiten, die dafĂŒr nötigen Maschinen und Anlagen in alle Welt zu exportieren. Wie sich das Kreislaufwirtschafts-Konzept auf lokaler Ebene in Kommunalstrukturen integrieren lĂ€sst, erklĂ€ren unsere Forschenden im Blueprint "ZirkulĂ€re Prozesse in Kommunen", mit praxisnahen LösungsansĂ€tzen fĂŒr Abfallvermeidung, zirkulĂ€res Bauen und öffentliche Beschaffung.
Ob auf Ebene der Kommunen, der LĂ€nder oder des Bundes, auch beim Ăbergang zur Kreislaufwirtschaft ist wieder die Politik gefragt. Denn wo Neues entsteht, bricht gleichzeitig meist Altes weg. Um das aufzufangen, sozial wie wirtschaftlich, muss dieser tiefgreifende Strukturwandelprozess klug, entschlossen und vorausschauend gesteuert und unterstĂŒtzt werden, um den Unternehmen Planungssicherheit zu geben und die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Wie dies gelingen kann, daran arbeiten wir.
Ohne Zweifel stehen wir vor groĂen Herausforderungen: National wie global mĂŒssen wir Transformationsprozesse umsetzen, und zwar auf vielen Ebenen gleichzeitig. Wie sie sich zielfĂŒhrend und sozial gerecht verbinden lassen, welche immensen Synergiepotenziale es dabei zu heben gibt und wie dieser groĂe Sprung gelingen kann, das hat das Wuppertal Institut gemeinsam mit dem Club of Rome im Buch "Earth for All Deutschland" skizziert. Und vielleicht löst das Buch ja auch eins Ihrer ganz persönlichen Probleme â nĂ€mlich falls Ihnen noch ein passendes Weihnachtsgeschenk fĂŒr einen umwelt- und sozialbewussten BĂŒcherwurm fehlt.
Die Welt ist im Jahr 2024 komplizierter geworden und die Herausforderungen nicht kleiner. Aber: Wir haben es immer noch in der Hand, unseren Planeten zukunftsfest umzugestalten. Was es dafĂŒr braucht, ist Mut und Konsequenz. Von der Politik, von der Wirtschaft, aber auch der Gesellschaft. Von uns allen. Jetzt den Kopf in den Sand zu stecken vor lauter Herausforderungen gilt nicht â denn Resignation ist der falsche Ratgeber, gerade jetzt mehr denn je. |