Liebe Leser*innen,am gestrigen Sonntag, 6. November 2022 startete die 27. Konferenz der Mitgliedsstaaten der UN-Klimarahmenkonvention, Conference of the Parties – kurz COP27. Bis zum 18. November versammelt sich die internationale Gemeinschaft im ägyptischen Sharm El Sheikh, um die Umsetzung des Pariser Abkommens weiter voranzutreiben.
Mit dem Pariser Abkommen hat sich die Staatengemeinschaft auf das Ziel geeinigt, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur seit Beginn der Industrialisierung deutlich unter 2 Grad Celsius zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, die Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Auch wenn seit den Pariser Verhandlungen sehr substanzielle Fortschritte erzielt werden konnten, ist die Welt noch weit von diesem Ziel entfernt. Die bisher von den Ländern zugesagten Klimaschutzbeiträge sind noch zu schwach, um dieses Ziel zu erreichen. Daher wird ein Hauptthema während der COP27 sein, wie die Anstrengungen der Länder verstärkt werden können und angesichts der weltweit zunehmenden Wetterextreme für alle auch sichtbar werden müssen. Am Ende der letztjährigen Klimakonferenz, der COP26, in Glasgow erklärte die britische Konferenzpräsidentschaft, dass es mit den Konferenzergebnissen gelungen sei "die Zielsetzung 1,5 Grad Celsius am Leben zu erhalten". Allerdings: "Das 1,5-Grad-Ziel befindet sich immer noch auf der Intensivstation", erklärt Wolfgang Obergassel, Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut. Der 'Klimapakt von Glasgow' forderte die Länder auf, ihre national festgelegten Beiträge (Nationally Determined Contributions, NDCs) bis Ende dieses Jahres zu überarbeiten und zu stärken. Doch bislang haben dies nur 23 Länder getan. Darüber hinaus gibt es eine Umsetzungslücke, denn in vielen Ländern reichen die derzeitigen konkreten Maßnahmen nicht einmal aus, um ihre derzeitigen, zu schwachen NDCs zu erreichen. "Die COP muss daher erneut die Notwendigkeit betonen, sowohl die Ambitions- als auch die Umsetzungslücke zu schließen, und die Länder auffordern, ihre NDCs und ihre aktuellen nationalen Politiken so bald wie möglich zu stärken", betont Obergassel. Neben der Aufforderung an die Länder ihre NDCs zu stärken, wurde während der Klimakonferenz im vergangenen Jahr ein Arbeitsprogramm aufgestellt, das mithelfen soll die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen "in diesem für den Klimaschutz kritischen Jahrzehnt" zu verbessern. Die diesjährige COP muss daran anknüpfen und zentrale Details festlegen. Darüber hinaus wird sich die Weltklimakonferenz auf die Verbesserung der finanziellen Unterstützung für Entwicklungsländer konzentrieren. Neben der Sicherung der seit vielen Jahren seitens der Industriestaaten versprochenen Mittel geht es darum, der Anpassung an die Auswirkungen des Klimawandels einen größeren Stellenwert einzuräumen. Auch die Frage der Bewältigung klimabedingter Verluste und Schäden steht erneut auf der Agenda. Zudem sollen weitere konkrete Schritte für die sogenannte globale Bestandsaufnahme (Global Stocktake) gemacht werden, die die Bemühungen der internationalen Gemeinschaft zur Bekämpfung des Klimawandels in systematischer Weise dokumentieren soll. Der Stocktake selbst soll auf der COP28 im kommenden Jahr 2023 abgeschlossen werden. Statement, Analyse und Sideevents während der COP27 Die Expert*innen des Wuppertal Instituts haben mit Blick auf die internationalen Verhandlungen im Vorfeld ein ausführlicheres Statement zu ihren Erwartungen an die Konferenz verfasst. Darin nennen die Wissenschaftler*innen neben den genannten Themen weitere Aspekte, die auf der Weltklimakonferenz auf der Tagesordnung stehen, wie etwa die freiwillige Kooperation unter Artikel 6 des Pariser Abkommens. Kurz nach Abschluss der Konferenz werden die Forschenden des Wuppertal Instituts eine erste Auswertung der Ergebnisse veröffentlichen. Daneben organisiert das Wuppertal Institut während der COP27 eine Reihe verschiedener Sideevents, die aktuelle Themen reflektieren, die in Sharm El Sheikh verhandelt werden. In spezifischen Sideevents stellen die Wissenschaftler*innen zudem ihre aktuellen Forschungergebnisse vor. Beim Sideevent "Moving closer to climate neutrality – pathways and collaboration", das am "Dekarbonisierungstag" am 10. November 2022 stattfinden wird, diskutieren sie über ihren Vorschlag für die Einführung eines internationalen Clubs für die Dekarboniserung der Stahlindustrie als ein Beispiel für ein transformatives Klimakooperationsformat. Alle Sideevents können standardmäßig auf der UNFCCC-Website als Live-Webcasts mitverfolgt werden. Podcast-Episode thematisiert Erwartungen an die COP27 In der aktuellen Episode "Erwartungen an die COP 2022?" des Podcasts Zukunftswissen.fm sprechen Wolfgang Obergassel, Co-Leiter des Forschungsbereichs Internationale Klimapolitik am Wuppertal Institut, und Niklas Höhne, Mitbegründer des NewClimate Institute und Professor an der Universität Wageningen, darüber, was seit der 26. UN-Klimakonferenz im letzten Jahr passiert ist und welche Ergebnisse in diesem Jahr erwartet werden. Dabei diskutieren sie über Fragen wie: Haben sich einzelne Länder neue Klimaziele gesetzt? Wird die COP27 positive Änderungen für den Klimaschutz einleiten? Und was müsste die Staatengemeinschaft unternehmen, um das 1,5-Grad-Ziel noch erreichen zu können? Auch Deutschland liegt hinter seinen Zielen zurück Auch wenn die Aufmerksamkeit aktuell auf Ägypten gerichtet ist, muss auch der Klimaschutzfortschritt in Deutschland kritisch reflektiert werden, denn auch Deutschland liegt beim Klimaschutz weit hinter seinen eigenen Zielen zurück. Nur mit mehr Tempo, mehr Konsequenz, Mut und Ehrlichkeit zu einer offenen Debatte lässt sich der Rückstand jetzt aufholen. Dies hatte das Wuppertal Institut in seinem im September veröffentlichten Zukunftsimpuls "Transformationslücke schließen – Handeln unter Hochdruck" verdeutlicht. "Die Aufgabe, die notwendigen Klimaschutzziele zu erreichen, trifft zusammen mit Anforderungen an die langfristige Sicherung der Energie- und Rohstoffversorgung, die mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine virulent geworden sind. Dabei liegt vielleicht auch genau darin eine Chance, jetzt konsequent umzusteuern", sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.
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