Liebe Leser*innen,Öl und Gas sind teuer und Erdgas könnte bereits in ein paar Monaten knapp werden. Um die Abhängigkeit der Europäischen Union (EU) von fossilen Brennstoffen aus Russland deutlich vor 2030 zu beenden, legte die Europäische Kommission am 18. Mai 2022 den REPowerEU-Plan vor. Damit reagiert sie auf die massiven Störungen auf dem globalen Energiemarkt, die durch Russlands Invasion in die Ukraine verursacht wurden. Um eine preiswerte, sichere und nachhaltige Energieversorgung in Europa sicherzustellen, setzt die EU Investitionen von 300 Milliarden Euro an. Um sich unabhängiger von russischem Gas zu machen, rief Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), zum Energiesparen auf und legte dafür am 17. Mai 2022 seinen "Arbeitsplan Energieeffizienz" vor. Habeck betont in der Pressemitteilung: "Wir wissen dabei, wie dick das Brett ist." Ziel der Bundesregierung ist, den Endenergieverbrauch bis 2030 um 24 Prozent gegenüber 2008 zu senken. Geschafft hat Deutschland in zehn Jahren – von 2008 bis 2018 – gerade einmal zwei Prozent. Es braucht, so formuliert es auch der Bundeswirtschaftsminister, mehr Tempo und Konsequenz. "Es ist eine gemeinsame nationale Aufgabe, bei der Politik, Industrie, Unternehmen und Verbraucher*innen alle mithelfen können, damit es gelingt." Expert*innen halten die von Habeck geforderte Energiesparkampagne für sinnvoll aber auch für "keinen Selbstgänger" – denn: Private Verbraucher*innen könne man schwer zum Energiesparen zwingen – außer indirekt über den Preis, sagte Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut, im SPIEGEL: "Wir wissen aus früheren Untersuchungen, das die Menschen bei höheren Preisen ihren Verbrauch sehr schnell zurückfahren können. Wer intelligent heizt und lüftet, kann ohne großen Aufwand zehn Prozent seiner Kosten einsparen ohne zu frieren." Die Anreizwirkung ist bisher bei den Verbraucher*innen aber noch nicht angekommen, weil die Heizkostenabrechnungen erst im nächsten Jahr kommen. Gerade in Zeiten volatiler und hoher Preise bräuchte es eine engmaschigere Abrechnung. Neben dem Energiesparen steht auch der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien auf der Agenda der Bundesregierung. Anfang April 2022 verabschiedete das Kabinett dafür das "Osterpaket" – die größte energiepolitische Gesetzesnovelle seit Jahren. Basierend darauf sollen verschiedene Energiegesetze umfassend novelliert werden mit dem Ziel, den Ausbau der Erneuerbaren konsequent voranzutreiben. Dafür bedarf es insbesondere auch eine drastische Verkürzung der Planungs- und Genehmigungszeiten. Konkrete Vorschläge dafür sollen im "Sommerpaket" bis Mitte dieses Jahres folgen. Dies macht bereits deutlich, dass die Energiewende nicht nur eine technische Herausforderung ist, sondern es darauf ankommt klare Prioritäten zu formulieren. "Mit der Feststellung, dass der Ausbau erneuerbarer Energien von überragendem öffentlichen Interesse ist, hat das Osterpaket der Bundesregierung eine klare und wichtige Vorgabe gemacht", sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts. Ganz entscheidend ist zudem die sozial ausgewogene Gestaltung respektive Flankierung. Es kommt auf eine ausgewogene Verteilung der Belastungen sowie eine klare und transparente Kommunikation der aus dem Umbau des Energiesystems resultierenden Kosten und den damit verbundenen Nutzen an. Zudem müssen alle Beteiligten im Transformationsprozess eingebunden werden. Dies gilt aus genereller Perspektive – vor allem in den Regionen, die vor einem massiven Strukturwandel stehen. Vor diesem Hintergrund hat das Wuppertal Institut die "Just Transition toolbox for coal regions" für einen gerechten Strukturwandel in Kohleregionen entwickelt. Dieses Kompendium enthält neben Erfahrungen und Beispielen aus der Praxis auch vielfältige Empfehlungen, die in Handbüchern, Tools und Leitfäden zusammengefasst wurden. Ein Thema, dass uns im Transformationsprozess alle angeht, ist der Konsum. Mit unserem eigenen Konsumverhalten können wir viel bewegen – etwa beim Thema Textilien und Kleidung. Hier umweltbewusster zu handeln, ist mit hohen Potenzialen verbunden. Denn der Verbrauch von Textilien hat nach Angaben der Europäischen Umweltagentur EEA nach dem Verzehr von Lebensmitteln, Wohnen und Mobilität im EU-Durchschnitt die viertgrößten Auswirkungen auf Umwelt und Klima. Kürzlich veröffentlichte die Europäische Kommission daher eine neue EU-Strategie für nachhaltige und zirkuläre Textilien. Die ambitionierte Vision: Textilabfälle sollen reduziert, zirkuläre Maßnahmen gefördert und negative Umweltfolgen der Textilindustrie minimiert werden. Doch wie sieht eine Textilwirtschaft aus, die Textilien im Kreislauf führt? Und welche politischen Anforderungen ergeben sich daraus für Deutschland? Antworten darauf liefert der aktuelle Zukunftsimpuls des Wuppertal Instituts. Er zeigt auf, welche Position Deutschland in der Transformation hin zu einer zirkulären Textilindustrie einnehmen und hierdurch Multiplikatorwirkung auslösen könnte. |