ob Klimakrise, Krieg in Europa, globaler Rechtsruck, erratische Zoll- und Subventionspolitik oder Inflation: Wenn die letzten Jahre eins gezeigt haben, dann dass Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nicht mit stabilen Rahmenbedingungen rechnen können. Krise ist immer, könnte man sagen. Zugegeben: kein besonders festlicher und geruhsamer Gedanke zum Jahreswechsel.
Aber nur einen Schritt weitergedacht, sieht das Ganze schon komplett anders aus, denn: Jede Herausforderung, jeder Umbruch birgt auch Chancen. Diese Chancen zu erkennen und nutzbar zu machen, steckt in der DNA des Wuppertal Instituts. Das gilt für normale Zeiten, aber erst recht in Krisenzeiten: Seit über drei Jahrzehnten wirkt unsere anwendungsorientierte Transformationsforschung als Katalysator, Motivator und Möglichmacher für Veränderungen. Allein dieses Jahr haben unsere Forschenden Lösungen für mehrere Kernbereiche der Transformation aufgezeigt: von einer Roadmap für die klimaneutrale Transformation der Industrie in Mitteldeutschland über eine Umsetzungsstrategie für wirtschaftlichen und sozial gerechten Strukturwandel in NRW bis hin zu einem Kompass für die Defossilisierung der petrochemischen Industrie. Und mit dem Zukunftsimpuls "Digitales Deutschland" haben wir erst diese Woche ein Drehbuch für eine nachhaltige Digitalisierung veröffentlicht, die wirtschaftliche und soziale Potenziale mit Klimaschutz vereint.
Wenn Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ihre Kräfte bündeln und ihr Handeln auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützen, dann lassen sich hinter jeder noch so großen Krise ebenso große Chancen hervorlocken. Das macht Hoffnung und gibt Zuversicht, gerade auch zur Weihnachtszeit.
Die Wissenschaft steht also vor der Aufgabe, die Chancen der Transformation zu erkennen und nutzbar zu machen. Das gelingt umso besser, wenn man auch hier Kräfte bündelt, Kompetenzen kombiniert und Forschungsansätze verknüpft. Dazu haben wir dieses Jahr drei neue Kooperationen aus der Taufe gehoben: mit der Universität Bremen, der FernUniversität in Hagen und der Club of Rome-Initiative Earth4All. Auch die erste Zukunftskonferenz NRW war ein echter Meilenstein für die vernetzte Forschung in NRW: Auf der Konferenz haben wir, zusammen mit der Initiative Humboldtⁿ und der Nachhaltigkeitsallianz NAW.NRW, rund 200 Wissenschaftler*innen aus Universitäten, Hochschulen für angewandte Wissenschaft und außeruniversitären Forschungsinstituten zusammengebracht, um entlang der Transformationsbereiche der Nachhaltigkeitsstrategie NRW 2026 eine zielgerichtete Forschungsagenda abzuleiten – ein Thema, mit dem wir uns am Wuppertal Institut nächstes Jahr natürlich weiter intensiv beschäftigen werden.
Ebenso intensiv werden wir weiterhin mit gezielter Wissenschaftskommunikation Zukunftswissen in die Gesellschaft tragen: Natürlich vor allem durch Publikationen und Öffentlichkeitsarbeit, aber auch durch Bücher – dieses Jahr waren es KlimaGerecht und Wohlstand in Zeiten des Übergangs – und durch Veranstaltungen, wie dem Wuppertaler Nachhaltigkeitskongress, dem Science Slam NACHHALTIGKEIT oder Demokratie unter Druck. Alle drei Events waren dieses Jahr so erfolgreich und so stark nachgefragt, dass wir sie fortsetzen werden – Demokratie unter Druck sogar schon im Januar.
Und was geteiltes Zukunftswissen in der Praxis bewirken kann, zeigen Beispiele wie Solar&Spar: Die im Projekt sanierten Schulen haben über einen Zeitraum von 20 Jahren nicht nur knapp 100 Millionen Kilowattstunden Energie gespart, 40.000 Tonnen CO2 vermieden und ein völlig neues Konzept der Umweltbildung entwickelt – mit mehr als 1,5 Millionen Euro brachte das Projekt den beteiligten Kommunen und Schulen auch einen handfesten finanziellen Vorteil.
Doch aller Erfolge zum Trotz: Natürlich bleibt viel zu tun in der anwendungsorientierten Transformationsforschung. Die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie muss jetzt in die Umsetzung, die Wasserstoffwirtschaft endlich konsequent hochgefahren werden – und es muss ein ambitioniertes nationales Klimaschutzprogramm entwickelt werden, das darauf ausgerichtet ist die Klimaschutzlücken in allen Bereichen zu schließen und zugleich soziale Umbrüche abzufedern. Dabei müssen auch Lösungen her für die besonders konfliktträchtigen Felder: nämlich Wohnen, Mobilität und Ernährung, also Bereiche, die den Alltag von uns allen betreffen. Das ist alles andere als ein Selbstläufer und politisch herausfordernd. Wissenschaftliche Analysen zeigen aber: Es gibt durchaus wirtschaftliche und sozialverträgliche Lösungen.
Wie also lässt sich 2025 zusammenfassen, wie 2026 sinnvoll nutzen? Einerseits vielleicht mit einem Mindset à la "Krise ist immer, man muss sie nur zu nutzen wissen". Und andererseits mit transformationswissenschaftlichen Rezepten, die wirtschaftliche und politische Potenziale mit sozialer Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zusammenbringen. Seien Sie sicher: Wir am Wuppertal Institut arbeiten daran.
Einen ausführlichen Aus- und Rückblick 25/26 gibt es in unserem Podcast Zukunftswissen.fm: Manfred Fischedick bespricht mit meinem Kollegen Jonas Zerweck, wie das vergangene Jahr aus Sicht des Instituts einzuordnen ist – und warum er voller Zuversicht auf die Herausforderungen und Chancen in 2026 blickt.
Und was im letzten Monat am Institut passiert ist, lesen Sie ab hier, im letzten Transformation Update des Jahres. |